Trupa Trupa

Die Welt

Die polnische Band Trupa Trupa kommt auf Deutschland-Tour und verströmt in ihrer Musik eine rastlose Energie, die an das kompromisslose Punk-Ethos von Fugazi erinnert. Ein Gespräch mit dem Sänger Grzegorz Kwiatkowski über seine Gedichte, seine Musik und den Pessimismus in der Welt.

Trupa Trupa sind eine Art-Rock-Band aus Gdansk/Danzig. Die vierköpfige Gruppe, die Elemente aus Post-Hardcore, No Wave und Psychedelia vereint, verströmt in ihrer Musik eine rastlose Energie, die an das kompromisslose Punk-Ethos von Fugazi erinnert. Die Band um den Dichter Grzegorz Kwiatkowski verwebt absurde Texte mit verflüssigenden Gitarrenriffs, kantigen Basslinien und prägnantem Schlagzeug. Wiederholungen spielen eine Schlüsselrolle in ihrer Arbeit, wie ihr verspielter Bandname zeigt, der grob übersetzt eine Truppe von Leichen bedeutet. Kurz von der Deutschland-Tour haben wir uns mit dem Dichter Grzegorz Kwiatkowski über Zoom verabredet, um über seine Gedichte, seine Musik und den Pessimismus in der Welt zu sprechen.

WELT: Sie sind Dichter und Musiker und kommen aus der Stadt Danzig, dem Geburtsort der Solidarnost-Bewegung. Sie schreiben in ihre kleinen poetischen Werke kleine Geschichten auf. Ist diese Band Ihr eigenes Projekt?

Kwiatkowski: Es ist kein Projekt eines Schriftstellers. Es ist eine Band. Wir haben eine demokratische Struktur. Wir haben keinen Anführer. Kein Leadsänger. Alles, was wir schreiben und komponieren, stimmen wir miteinander ab.

WELT: Wo ist der Unterschied zwischen Poesie und Musik?

Kwiatkowski: Als ich jünger war, wollte ich diese beiden Welten voneinander trennen. Ich wollte meine Poesie von der Musik trennen, weil ich nicht mit meiner Schriftstellerei in die Band gehen wollte, weil ich mein Ego nicht bloßstellen wollte. Aber nach vielen Jahren habe ich etwas sehr Einfaches herausgefunden: Poesie ist immer auch Musik. Jeder Dichter und Schriftsteller ist ein Musiker. Und ich kann nicht so tun, als wäre ich kein Dichter, ich kann nur ich selbst sein. Also, auch wenn ich nicht mit meiner Poesie auf die Band ausstrahlen möchte, tue ich es doch. Jeder hat seine eigene Aura und das ist meine spirituelle Aura. Der Punkt ist, dass sich meine Poesie auf Völkermord, Menschenrechte und Ethik konzentriert, und Trupa Trupa ist eine psychedelische Band, die sich für Individualität einsetzt, und deshalb haben wir keine monolithische Vision, und es gibt auch einen Raum für mich.

WELT: Sie sagen, dass sie über Völkermord und Menschenrechte kleine Gedichte schreiben. Wie passt das zusammen?

Kwiatkowski: Mein Großvater war Häftling im Konzentrationslager Stutthof. Als ich ein Kind war, nahm er mich mit in das Museum der Konzentrationslager, und er war zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg dort. Ich sah einen Menschen, der am Boden zerstört war. Für mich war das eine der ehrlichsten und schockierendsten Sachen in meinem Leben. Und all die Dinge, die ich in diesem Moment durchlebte, habe ich in meiner Kunst verarbeitet, die sich auf den Völkermord und den Menschenrechtsteil konzentriert. Deswegen sind 25 Prozent Einfluss auf meine Band immer pessimistisch, weil ich mich auf die Geschichte fokussiere.

WELT: Sie sind immer pessimistisch?

Kwiatkowski: Andererseits ist die Geschichte nicht nur pessimistisch, wenn man das zerstörte kommunistische Regime in Mitteleuropa sieht. In mir kämpfen zwei Seiten: Das eine ist eine eher pessimistische, vernichtende Seite, die durch die Ungerechtigkeit der Geschichte und den Mangel an Moral geprägt wird. Aber auf der anderen Seite habe ich eine Art Optimismus in mir, und ich habe meinen eigenen Willen zur „guten Macht“. Und ich denke, dass wir mehr Auseinandersetzung mit den dunklen Künsten brauchen, um unserem mörderischen Potenzial zu begegnen. Und dieses negative Potenzial ist fast überall vorhanden.

WELT: Schon der Name ihrer Band klingt pessimistisch. Trupa Trupa bedeutet übersetzt „Leiche, Leiche“. Was meinen Sie mit dem mörderischen Potenzial?

Kwiatkowski: Fast jeder hat einen Schöpfer und einen Mörder in sich. Wenn wir uns diesem dunklen Wissen stellen, können wir bessere Menschen werden. Das ist der Sinn meiner Poesie. Ich glaube, dass wir gegen die Verbrechen, die in dieser Welt geschehen, anschreiben müssen. Mit Poesie, mit Musik und mit Kunst. Aber ich kann nicht sagen, dass dies der Sinn der Band Trupa Trupa ist. Da gibt es viele Interpretationen. Meine Freunde sagen, sie haben andere Ideen, und sie sind offen für viele Ideen, und sie haben recht damit.

WELT: Wir sollten also mit Kunst gegen die dunkle Natur in uns vorgehen…

Kwiatkowski: Wir sind immer noch Menschen. Wir haben leider immer noch das Potenzial, uns gegenseitig zu töten. Kunst kann helfen, unsere Natur, unser menschliches Wesen zu verstehen. Ich versuche, diese Art von Sachen zu machen. Ich sage nicht, dass es heute gelingt. Ich will nur sagen, dass meine Familiengeschichte eine dunkle Geschichte war. Die Lehren aus dieser Familiengeschichte sind, dass ich etwas über die menschliche Natur verbreiten möchte. Wenn wir das tun, können wir große Tragödien vermeiden, nicht alle, aber einige mit Sicherheit.

WELT: Haben Sie das Gefühl, dass sich die Geschichte wiederholt?

Kwiatkowski: Ja, absolut. Uns umgeben überall Tragödien. Aber das Auge der Kamera kann auch nicht überall sein. Wir hatten große Kriege in Syrien, in Afrika und Tschetschenien. Aber wir haben uns nicht darum gekümmert. Und auf der anderen Seite müssen wir auch sehr dankbar sein, weil wir in den besten Zeiten überhaupt leben. Wissen Sie, wenn wir kommunizieren können, haben wir eine Menge Möglichkeiten, das Wort zu verbreiten. Natürlich können wir das Wort des Hasses verbreiten, aber wir können auch die guten Dinge verbreiten.

WELT: Sie sagen „Gutes verbreiten“ ist ihre Mission. Ist das auch die Mission von Trupa Trupa?

Kwiatkowski: Meine Freunde berühren nicht das Gebiet der Politik. Meine Freunde geben keine Statements ab. Meine Freunde glauben nicht an Politiker. Ich übrigens auch nicht. Ich glaube nicht an ihre zynischen Spiele. Und ich will nicht Teil ihrer zynischen Spiele sein. Trupa Trupa hat eine Menge Bedeutungen. Die Band ist offen für Interpretationen, und meine Freunde gaben mir grünes Licht, ein Interview zu geben, um über meine Interpretation dieser Band, über mein Leben als Dichter zu sprechen. Ich meine, diese Band ist eine sehr seltsame Post-Rock-Band.

WELT: Aber Sie haben schon politische und historische Lieder wie „Never Forget“, das sich mit der Tragödie des Holocaust auseinandersetzt.

Kwiatkowski: In dem Lied heißt es: „Wir vergessen nie, wir vergessen nie die Demütigung / wir vergessen nie, wir vergessen nie die Getto-Toten / sie klingen wie ein Mitternachtschor“. Aber das Lied bleibt trotzdem in der Interpretation offen: Es können Getto während des Zweiten Weltkriegs sein, es kann aber auch ein Lied über moderne Stadtgettos sein. Das ist das Besondere an uns: Wir geben dem Leser, dem Zuhörer viel Raum. Der Zuhörer kann entscheiden, was optimistisch oder pessimistisch, gut oder schlecht ist. Und in gewisser Weise geben wir den Zuhörern eine Verantwortung für sich persönlich. Der Zuhörer ist verantwortlich für seine Interpretation dieser historischen Fakten.

WELT: Demokratie ist oft eine Frage der Perspektive: Sozialisten sehen sich auch als Demokraten. Also, was ist Demokratie in der Perspektive eurer Band? Ihr sagt, dass eure Band eine demokratische Band ist? Was bedeutet das Wort „Demokratie“ euch?

Kwiatkowski: Es gibt keine demokratische Struktur in der Kunst. 99 Prozent der Künstler und Bands haben keine Demokratie und sie alle sagen mir, dass ich verrückt bin und wir verrückt sind, weil es unmöglich ist, und sie haben recht. Weil wir kämpfen. Wir stimmen über alles ab. Wir diskutieren über jede Note. Es ist sehr frustrierend. Es ist sehr hart. Aber es lehrt einen auch, Respekt vor anderen Menschen zu haben. Das macht uns besonders, weil unsere Musik eine Art Störung in der Musikszene ist. Es ist wie ein Fehler im System. Man kann hören, dass diese Musik auf irgendeine Weise kaputt ist. Es ist etwas in unserer Musik.

WELT: Die Hörer in Deutschland, die zum ersten Mal auf eurem Konzert sind. Was müssen sie an eurer Musik verstehen außer eurer demokratischen Struktur?

Kwiatkowski: Der Punkt ist natürlich, dass es eine psychedelische Gitarrenband ist. Es ist eine Punkband. Wir sind so etwas wie die kaputten Post-Punk-Beatles oder die kaputten Post-Punk-Beach-Boys. Einerseits voller Melodien, andererseits ist sie voller Geräusche und einer Menge Sounds. Und manchmal ist sie sehr aggressiv und laut. Manchmal ist es wie eine große romantische Wiese.

WELT: Wir haben viel über Kriege, Tragödien und die Ukraine gesprochen. Gibt es ein Happy End in der Musik und in der Kunst nach all den Tragödien der Welt?

Kwiatkowski: Das „Happy End“ ist die Kommunikation. Ich bin glücklich, dass ich sprechen kann. Das Schlimmste ist, wenn wir isoliert werden und alleine sind. Wir müssen einen Weg über die Kommunikation finden, auch wenn mein Gegenüber ein Unterstützer von Trump ist. Wir müssen miteinander sprechen. Wir müssen träumen. Es gab Menschen, die von dem Zusammenbruch des Kommunismus in den Achtzigern träumten. Und in gewisser Weise waren sie verrückt, weil es zu der Zeit unvorstellbar war. Aber ich glaube daran, dass wir durch Träume etwas verändern können.

Artur Weigandt, www.welt.de

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